Die Europäische Akademie Berlin organisiert für das Auswärtige Amt seit 2015 in Deutschland Seminare für Angestellte der marokkanischen Regierung. Das ist ein Kooperationsprojekt der Bundesrepublik mit Marokko.
Angestrebt sind „Know-how-Transfer“ und Erfahrungsaustausch, um Transformationsprozesse in Marokko zu unterstützen. Das Seminar, an dem die Besucher teilnehmen, begann am 12. Februar und endet am 18. März. Die Veranstaltung fand gewissermaßen auf Französisch statt. Die Gruppe hatte zwei Dolmetscherinnen dabei, die simultan in die Kopfhörer der Gäste hinein übersetzten. Sogar die Computer-Präsentation über Premnitz war ins Französische übertragen worden.
Wirtschaftlicher Wandel nach der Wende von Interesse
Ralf Tebling schickte vorweg, wer Fragen habe, möge sie gleich während seiner Ausführungen stellen. Davon machten die Gäste aus Marokko ausgiebig Gebrauch. Der Bürgermeister stellte seine Stadt kurz vor: Premnitz mit Ortsteilen Döberitz und Mögelin zusammen 8 600 Einwohner. 41 Beschäftigte in der Verwaltung. Haushaltsvolumen 28 Millionen Euro.
Auf großes Interesse stieß der wirtschaftliche Wandel, den es nach der Wende in Premnitz gegeben hatte. Ralf Tebling sah sich der Frage gegenüber, wie es geschafft worden sei, das Staatseigentum aus der DDR in privates Eigentum umzuwandeln. Über eine Treuhandanstalt, teilte er mit: Die Politik habe auf deren Tätigkeit nur begrenzt Einfluss gehabt. Als es um die Zusammensetzung der Premnitzer Stadtverordneten ging, fragte ein Marokkaner gezielt nach, warum denn die CDU den Präsidenten stelle, obwohl doch die SPD die stärkste Fraktion stellt. Ralf Tebling sprach von der Sachorientierung der dortigen Kommunalpolitik.
Wieso nur vier Frauen, aber 14 Männer in der Stadtverordnetenversammlung sitzen, fragte ein anderer Gast. Darauf habe er keine wirkliche Antwort, konterte Tebling trocken: Unter den 41 Beschäftigten der Stadtverwaltung seien aber nur fünf Männer. Was unter der Wählergemeinschaft Döberitz-Mögelin-Premnitz zu verstehen sei, wollte ein Marokkaner wissen. Die Bürger müssten keine Parteien wählen, erklärte Tebling, sie könnten sich zusammenschließen und selbst antreten. Dieses Recht sei in der Kommunalverfassung verankert.
Dass die Stadt Premnitz ihren Wandel noch nicht abgeschlossen hat, konnten die Gäste an der Prognose erkennen, dass sie 2035 nur noch 6000 Einwohner haben soll. Als Kommunalpolitiker müsse man anfangen, anders zu denken, offerierte Ralf Tebling dann eine wichtige Erkenntnis: „Nicht in Tagen oder Wochen – sondern in Jahren.“
Von Bernd Geske